Miasmatische Betrachtung

Chronische Herzinsuffizienz

I. Edbauer, 1999

Am Herzen „herrscht die erworbene syko-psorische Kombination vor, besonders bei den Veränderungen der Herzklappen und des Herzens. Auf dem zweiten Platz kommt die erworbene psoro-syphilitische Kombination und auf dem dritten Platz die hereditäre Tuberkulose."(1)

Hinsichtlich der Herzinsuffizienz scheint die Sykose nicht mehr die Rolle zu spielen, die sie hatte, als die Endokarditits mit nachfolgenden Klappenschäden noch als Hauptursache anzusehen war. Sogar die Hypertonie steht nur noch an zweiter Stelle um der koronaren Herzerkrankung Platz zu machen. Boden dafür mag die Syphilis, besonders aber die syphilitische Tuberkulinie sein.

Die Psora bringt hauptsächlich funktionelle Störungen hervor, weniger die Pathologie die zur Insuffizienz führt. Meist ist sie mit anderen Miasmen kompliziert und trägt die nervösen Symptome bei. Der psorische Anteil ist zu erkennen an der Ruhelosigkeit, Angst, Furcht und vielen anderen Beschwerden, die vom Patienten nicht übersehen werden. Dabei können die Gemüts- und Herzsymptome miteinander alternieren.
Kommen bei der Herzinsuffizienz Schmerzen vor, haben sie im allgemeinen psorischen Charakter. Sogar die kardiale Dyspnoe zeigt diese nervöse Schmerzempfindlichkeit.

Das psorische Roemheld-Syndrom trägt zu einer weiteren Belastung des Herzens mit anginoiden Charakter bei. Die Ödeme der Psora sind im allgemeinen sehr ausgeprägt. Auch die Palpitationen der Herzinsuffizienz haben meist psorischen Charakter. Häufig wird die Psora durch psychische Traumen oder Unterdrückungen aus der Latenz getrieben. Es ist aber zu beachten, daß wenn aus einem Trauma eine destruktive Situation resultiert, auf körperlicher wie auf psychischer Ebene meist eine Syphilis oder Cancerinie dahintersteckt. Das kann sich in Selbstmordneigung, schweren Depressionen (vgl. Aur. Syph. u.a.) wie in einem forcierten Verlauf des Krankheitsprozesses zeigen.

Die Psora schwächt den Patienten sehr. Er bevorzugt Ruhe und braucht am Tag viel Schlaf. Danach  fühlt er sich dann wieder etwas kräftiger. Auch Edwin M. Hale erinnert daran, daß man die antipsorischen Mittel bei der Behandlung der Herzdilatation nicht vergessen sollte, da sie wieder Energien wecken können.(2)

Der tuberkulinische Patient zeigt bei der Herzinsuffizienz noch mehr Schwäche als der Psorische. Schwäche mit Ohrensausen bis zur Ohnmacht (Schwindelsymptomatik). Er ist anämisch und magert ab. Im Gesicht finden wir eine hypotone Blässe oder Zyanose. Der Tuberkuliniker liegt viel, aufsitzen ist ihm oft zuviel aber andererseits kann mäßige Bewegung in frischer Luft einige nervöse Beschwerden lindern. Er bekommt leicht Atemnot. Treppensteigen macht ihm sehr zu schaffen.

Die Tuberkulinie stört die Blutzirkulation. Einerseits hat man die Anämie oder Zyanose, andererseits Blutandrang zum Kopf und der Brust. Eine venöse Stase, mit dilatierten Gefäßen (Venenstauungen).
Zyanose findet sich auch besonders an den Akren. Trommelschlegelfinger und Uhrglasnägel sind tuberkulinische Symptome. Die tuberkulinische Herzinsuffizienz entsteht oft infolge von Beschwerden seitens der Lunge, so daß wir es meist mit einer Rechtsherzinsuffizienz zu tun haben. Auch kann die Anämie eine Rolle spielen. Herzinsuffizienz infolge einer Schilddrüsenerkrankung ist meist tuberkulinisch (Basedow-Herz, auch an Thyr. denken).

Perikarditis als Vorerkrankung der Herzinsuffizienz kann rheumatisch oder tuberkulinisch sein, in seltenen Fällen syphilitisch. Bei der tuberkulösen Perikarditis ist die Ausschwitzung fibrös oder serös (an Penic. denken). Lymphknoten sind längs der Blutgefäße geschwollen. Die allgemeine tuberkulinische Neigung zu Blutungen ist vorhanden. Léon Vannier kennt auch eine tuberkulöse Endokarditits (3) (vgl. Phos: Dilatation nach Endokarditis).

Liegt die Vorerkrankung in Nierenbeschwerden, darf der Bezug der Tuberkulose zur Niere nicht vergessen werden (bes. destruktiv wenn mit Sykose kompliziert) In der Tuberkulinie erkennt man viele nervöse Symptome der Psora: Ähnlichkeit im Oppressionsgefühl und der kardialen Dyspnoe; während die pathologischen Störungen aus dem syphilitischen oder sykotischen Anteil resultieren. Von daher kann es durch eine hereditäre Tuberkulose zu Veränderungen, bzw. Mißbildungen am Herz kommen, die in eine Insuffizienz führen.

Der Tuberkuliniker kann auf Unterdrückung von Fußschweiß oder Hämorrhoiden mit Herzsymptomen reagieren. Oft wechseln Herz- und Rektalsymptome ab. Entsteht die Herzinsuffizienz auf tuberkulösen Boden finden wir ebenso ausgeprägte Ödeme wie bei der Psora. Entsprechend sind die Harnsymptome. Aber immer werden wir bei der tuberkulinischen Herzinsuffizienz die allgemeinen Symptome der Schwäche, Abmagerung und Nachtschweiß finden. Auch haben wir die typische Wechselhaftigkeit der Symptomatik.

Die Sykose bringt, meist in Verbindung mit der Psora, am Herzen organische Veränderungen hervor. Häufig ist das Endokard mit den Herzklappen betroffen. Die Herzmanifestationen erfolgen nach rheumatischen oder gichtischen Zuständen, besonders aber nach deren Unterdrückungen. Seltener ist die Herzinsuffizienz Folge sykotischer Lungenbeschwerden.

Der Patient mit sykotischem Hintergrund merkt in der Regel sehr wenig von seinen Herzbeschwerden. Die Ödeme sind weniger auffällig als bei der Psora oder der Tuberkulinie. Auch die Dyspnoe ist schmerzlos.

Ab und zu kann es zu heftigen Schmerzattacken kommen, die aber nur kurz anhalten und den Patienten i.d.R. nicht weiter beunruhigen. Besonders schmerzhaft können vorrübergehend die rheumatischen Schmerzen werden. Schmerzen von der Schulter zum Herz oder umgekehrt. Bewegen der Arme verschlechtert. Bei weniger ausgeprägter Insuffizienz kann leichte Anstrengung bessern. Die Sykose vermindert allgemein den Tonus des Herzmuskels. Es kann zu Herzflattern oder -flimmern kommen, oft infolge von Klappenschäden.

Der sykotische Patient nimmt im Gegensatz zum tuberkulinischen Patienten bei Herzbeschwerden eher zu, was seine Gesamtsituation deutlich verschlechtert. Das Gesicht des Sykotikers ist rot bis zyanotisch, die Lippen ebenso. Er neigt zu Stauung. Der Herzinfarkt und die Herzinsuffizienz kommen wie beim Syphilitiker unerwartet.

Bei einer Herzinsuffizienz auf syphilitischen Boden haben wir es meist mit angeborenen Herzschäden, (können auch bei syk., syphT. od. sykT. sein), Mißbildungen, Störungen am Myokard oder der Arterien als Vorerkrankung zu tun.
Strukturelle Lungenveränderungen die zu einer Rechtsherzbelastung führen zeigen ebenso syphilitische Anteile wie fibröse oder gummatöse Veränderungen am Herz selbst.

Die Syphilis befällt bevorzugt die Arterien. Diese werden starr und brüchig, vorzeitig sklerös. Obturation an den Koronarien sind häufig syphilitisch. Die chronische Sauerstoffunterversorgung des Herzmuskels führt zur Insuffizienz, wenn der Patient nicht vorher an einem plötzlichen Infarkt stirbt. Von den größeren Arterien wird bevorzugt die Aorta befallen und zwar am Aortenbogen und am Ursprung der Aorta.

Chronische Aortitis, Aortenaneurysma, Aortenklappendefekte und schwere Verkalkungen am Aortenbogen können zu einer Herzinsuffizienz führen. Infektionskrankheiten mit Herzbeteiligung spielen sich meist auf syphilitischem Terrain ab, vgl. Rötelembryopathie, Myokarditis nach Toxoplasmose, Dyphtherieherz, Scharlach u.a..  Amyloide oder andere Ablagerungen können wir am Myokard, manchmal am Perikard oder im Lungenbereich finden.

Der syphilitische Pat. hat wie der sykotische Patient wenige Beschwerden oder merkt sie erst sehr spät. Auffällig ist lediglich die vorzeitige Arteriosklerose. Krankheiten z.B. aufgrund von Rupturen treten plötzlich und dramatisch zutage. Hat der Patient Beschwerden, so sind sie nachts schlimmer. Die Syphilis ist das Miasma das für Mißbildungen verantwortlich ist. Fallot’sche Trilogie, Tetralogie, Pentalogie, Fehlen einer Herzklappe, persisitierender Ductus-Botalli bilden die Voraussetzung für eine frühzeitige Herzinsuffizienz. Im allgemeinen zieht sich der destruktive Charakter der Syphilis durch die Gesamtsymptomatik des Patienten hindurch.

I. Edbauer
(Aus meiner CvB-Abschlussarbeit "Die homöopathische Behandlung der chronischen Herzinsuffizienz", 1999)

Hinweis: Nachdem mir für diese miasmatische Beschreibung der chron. Herzinsuffizienz nur wenig Literatur zur Verfügung stand, fing ich an, ältere medizinische Bücher in Bezug zu den Miasmen zu sammeln, in der Hoffnung, genauere Beschreibungen der einzelnen Krankheitszustände und Krankheitsprozesse zu erhalten.

Hinweis: Es entstand nun die kleine Forschungs-Seite online.

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